Einführung in die Pflanzenheilkunde

Was bedeutet Pflanzenheilkunde – und warum sie heute wieder so gefragt ist

Wenn du schon einmal eine heiße Tasse Kamillentee getrunken hast, weil dein Bauch rumorte – oder wenn dir eine selbstgemachte Ringelblumensalbe bei rissiger Haut geholfen hat –, dann hast du Phytotherapie bereits erlebt, ohne es vielleicht zu wissen.

Und genau darum geht’s in diesem Beitrag: Wie wir Pflanzen als Heilmittel nutzen können – traditionell, praktisch und ohne Hokuspokus.

Ich will dir keine Wundermittel verkaufen und auch keine alten Rezepte romantisieren. Aber ich zeige dir, wie du die Pflanzenheilkunde verstehen kannst, welche Zubereitungsarten es gibt – und was du dabei unbedingt beachten solltest.

Was bedeutet eigentlich „Phytotherapie“?

Phytotherapie ist der wissenschaftliche Begriff für Pflanzenheilkunde. Also: die gezielte Verwendung von Pflanzen und ihren Bestandteilen zur Linderung oder Vorbeugung von Beschwerden. Dabei kommen ganze Pflanzen oder deren Extrakte zum Einsatz – nicht isolierte Einzelstoffe wie in der Schulmedizin.

Was Phytotherapie besonders macht:
Sie wirkt oft langsamer, aber nachhaltiger. Und vor allem sanfter. Das heißt nicht, dass sie „harmlos“ ist – viele Heilpflanzen haben starke Wirkungen und können Wechselwirkungen mit Medikamenten haben. Aber sie arbeitet mit dem, was die Natur über Jahrtausende hervorgebracht hat: komplexe Wirkstoffkombinationen, die auf Körper und Seele zugleich wirken können.

Welche Zubereitungsarten gibt es?

Der große Vorteil der Pflanzenheilkunde liegt in ihrer Vielseitigkeit. Ob innerlich oder äußerlich – es gibt viele Wege, eine Pflanze nutzbar zu machen. Ich zeige dir die gängigsten Formen, die du sogar zuhause selbst herstellen oder anwenden kannst.


1. Tee – einfach, bewährt und effektiv

Die wohl bekannteste Form der Anwendung ist der Tee. Doch Tee ist nicht gleich Tee.

Die drei wichtigsten Zubereitungen:
  • Aufguss
    Ideal für Blätter, Blüten und feine Pflanzenteile (z. B. Pfefferminze, Melisse).
    ➤ Übergieße 1–2 TL getrocknetes Kraut mit kochendem Wasser, 10 Minuten ziehen lassen, abseihen.

  • Abkochung
    Wird bei härteren Pflanzenteilen wie Rinden oder Wurzeln verwendet (z. B. Eibisch, Kalmus).
    ➤ Pflanze in kaltem Wasser ansetzen, aufkochen, 10–15 Minuten sanft köcheln lassen, dann abseihen.

  • Kaltauszug
    Besonders geeignet für empfindliche Schleimstoffe (z. B. Malve, Leinsamen).
    ➤ Pflanzenteile in kaltem Wasser über mehrere Stunden ziehen lassen, dann abseihen.

📝 Wichtig: Immer abgedeckt ziehen lassen – sonst entweichen die ätherischen Öle.


2. Tinkturen – kleine Tropfen, große Wirkung

Tinkturen sind konzentrierte alkoholische Auszüge aus Pflanzen.
Sie eignen sich gut zur langfristigen Aufbewahrung und sind besonders praktisch in der Anwendung – ein paar Tropfen genügen oft.

So funktioniert die Herstellung:
  • Pflanzenteile (getrocknet oder frisch) in ein Schraubglas geben

  • Mit mindestens 40 % Alkohol (z. B. Korn) übergießen, sodass alles bedeckt ist

  • 2–6 Wochen ziehen lassen, regelmäßig schütteln

  • Abseihen und in eine Braunglasflasche abfüllen

💡 Tipp: Beschriften nicht vergessen – Name, Pflanze, Alkoholart, Datum.

Anwendung:
z. B. Baldriantinktur bei Einschlafproblemen (5–10 Tropfen abends), Propolis bei beginnender Erkältung oder Schafgarbe zur Leberanregung.


3. Salben und Cremes – für Haut und Gelenke

Ob Ringelblume, Beinwell oder Arnika – viele Heilpflanzen entfalten ihre Wirkung am besten äußerlich. Selbst hergestellte Salben und Cremes bieten eine natürliche Möglichkeit, diese Wirkung direkt dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird.

Die Grundidee:
  • Kräuterölauszug (siehe unten)

  • Bienenwachs oder Lanolin als Konsistenzgeber

  • ggf. ätherisches Öl oder Vitamine als Zusatz

➡️ In einem Wasserbad erwärmen, verrühren, in saubere Döschen abfüllen.
Gut verschlossen und kühl gelagert sind diese Salben oft mehrere Monate haltbar.


4. Ölauszüge – die Grundlage für Salben und mehr

Ein sogenanntes Mazerat ist ein Kräuterölauszug, den du z. B. für Salben, Wickel oder auch pur anwenden kannst.

So geht’s:

  • Frische oder getrocknete Pflanzenteile (z. B. Johanniskrautblüten) in ein Schraubglas geben

  • Mit einem hochwertigen Öl (z. B. Olivenöl) übergießen

  • 3–6 Wochen an einem hellen, warmen Ort ziehen lassen (aber nicht in der prallen Sonne!)

  • Gelegentlich schütteln, dann abseihen

🎯 Anwendung: Zur Hautpflege, bei Muskelverspannungen, kleinen Verletzungen oder einfach als duftendes Pflegeöl.


5. Sirup und Oxymel – wohltuend & süß

Besonders bei Kindern beliebt: pflanzliche Sirupe oder das traditionelle Oxymel (eine Mischung aus Honig, Essig und Kräutern). Beide Formen wirken sanft, aber effektiv bei Erkältungen, Husten oder zur Stärkung.

Beispiel: Spitzwegerichsirup
  • Frische Spitzwegerichblätter klein schneiden, mit Wasser aufkochen, abseihen

  • Mit Rohrzucker einkochen bis zur Sirupkonsistenz

  • Heiß in saubere Flaschen füllen

➡️ Bei Husten 1 TL pur oder in Tee – ein Klassiker!


6. Umschläge, Inhalationen & Bäder – äußere Anwendung mit Tiefenwirkung

Nicht jede Pflanze muss getrunken oder geschluckt werden. Manche entfalten ihre Wirkung durch die Haut oder über die Atemwege.

Beispiele:
  • Quark-Wickel mit Schafgarbe bei Gelenkentzündungen

  • Thymianbad bei Husten

  • Salbei-Inhalation bei Halsschmerzen

  • Lavendel-Fußbad zur Beruhigung

Diese Anwendungen werden oft unterschätzt – aber sie wirken, und das mit oft überraschender Effektivität.

Diese Heilpflanzen eignen sich besonders für den Einstieg

Hier eine kleine Auswahl bewährter Pflanzen, die auch in einem Hausgarten oder auf dem Balkon gedeihen können:
Pflanze Wirkung Anwendung
Kamille Entzündungshemmend, beruhigend Tee, Dampfbad, Kompresse
Pfefferminze Verdauungsfördernd, krampflösend Tee, Öl, Inhalation
Ringelblume Wundheilend, hautpflegend Salbe, Öl, Umschlag
Johanniskraut Stimmungsaufhellend, schmerzlindernd Öl, Tee, Tinktur
Salbei Desinfizierend, schweißhemmend Tee, Gurgellösung, Inhalation
Diese Pflanzen kannst du oft sogar selbst anbauen, sammeln oder trocknen – und so Schritt für Schritt deine eigene kleine Naturapotheke aufbauen.

Wichtige Hinweise zum Schluss

Phytotherapie ist kein Allheilmittel. Und schon gar kein Ersatz für den Besuch beim Arzt. Aber sie ist ein wunderbarer Begleiter, wenn du achtsam mit deinem Körper umgehen und ihm natürliche Unterstützung geben willst.

Achte bei der Anwendung auf:

  • Qualität der Pflanzen (bio, unbehandelt, möglichst selbst geerntet)

  • Individuelle Verträglichkeit (nicht alles ist für jede:n geeignet)

  • Vorsicht bei Schwangerschaft, Kindern oder bestehenden Erkrankungen

  • Keine Eigenexperimente bei ernsthaften Beschwerden

Mein Fazit

Pflanzenheilkunde ist keine „alte Oma-Wissenschaft“. Sie ist lebendig, wirksam und erstaunlich vielseitig. Und sie bringt uns wieder ein Stück näher an das, was uns Menschen eigentlich ausmacht: ein Gefühl für das, was uns wirklich gut tut – im Einklang mit der Natur.

Bild von Lilly
Lilly

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