Ohrenkneifer im Garten – Freund oder Schädling?
Wer schon einmal einen Blumentopf angehoben und darunter ein flinkes, braunes Insekt mit kleinen Zangen entdeckt hat, kennt ihn vielleicht: den Ohrenkneifer. Oft missverstanden, gelegentlich unterschätzt – und manchmal auch ungewollt bekämpft. Dabei lohnt es sich, dieses Tierchen genauer anzusehen. Denn der Ohrenkneifer kann in deinem Garten wertvolle Dienste leisten – wenn man ihn lässt.
In diesem Beitrag zeige ich dir, wie du den Ohrenkneifer erkennst, warum er nützlich sein kann, wie du ihn gezielt ansiedelst oder auch umleitest – und was du tun kannst, wenn es doch einmal zu viele werden.
Was ist ein Ohrenkneifer?
Der Ohrenkneifer – auch Ohrwurm genannt – trägt den wissenschaftlichen Namen Forficula auricularia. Der Name klingt bedrohlich, ist aber ein Relikt aus alten Zeiten: Früher glaubte man, das Tier krieche in Ohren, um dort Schaden anzurichten. Diese Vorstellung ist natürlich Unsinn – der Ohrenkneifer hat mit menschlichen Ohren nichts zu tun.
Er gehört zur Ordnung der Dermaptera und ist bei uns in Mitteleuropa weit verbreitet. Du findest ihn fast überall im Garten – sofern du genau hinschaust.
Typische Merkmale:
Größe: ca. 10–17 mm
Farbe: rotbraun bis dunkelbraun
Zangenförmige Hinterleibsanhänge (Cerci), bei Männchen stärker gekrümmt
Flügel vorhanden, aber kaum genutzt – fliegt nur selten
Bewegung: nachtaktiv, lichtscheu, flink
Wo leben Ohrenkneifer?
Ohrenkneifer lieben feuchte, geschützte Rückzugsorte. Tagsüber verstecken sie sich gern:
unter Tontöpfen oder Steinplatten
in Mauerritzen oder Hochbeeten
zwischen Rinde, Holz und Mulch
unter dichter Staudenbepflanzung
im Inneren von Stroh oder Holzwolle
Nachts gehen sie auf Nahrungssuche – und genau dann werden sie für uns Gärtner:innen interessant.
Was frisst der Ohrenkneifer?
Seine Lieblingsspeisen:
Blattläuse – ein echter Klassiker im Garten
Spinnmilben und deren Eier
Blüten- und Käferlarven
kleine Raupen und Insekten
abgestorbene Pflanzenteile und Aas
Damit gehört er zu den wichtigsten Nützlingen im naturnahen Garten – insbesondere dann, wenn du auf Spritzmittel verzichten willst.
Was kann der Ohrenkneifer auch anrichten?
So hilfreich er auch ist – manchmal wird der Ohrenkneifer zur kleinen Nervensäge, wenn:
er an zarten Blüten (z. B. Dahlien, Cosmeen, Chrysanthemen) knabbert
süßes, überreifes Obst (Pflaumen, Aprikosen, Birnen) anfällt
er sich in größeren Gruppen ansiedelt und sichtbar wird
Wichtig: Der Ohrenkneifer frisst Pflanzen nur dann, wenn tierische Nahrung knapp ist – oder wenn er in übermäßiger Zahl auftritt.
Wie kann ich Ohrenkneifer gezielt nutzen?
Der beste Weg: Ihn willkommen heißen – aber lenken.
DIY: Ohrenkneifer-Hotel bauen
Du brauchst:
1 kleiner Tontopf (Ø ca. 12–14 cm)
Holzwolle oder Stroh
etwas Draht oder Bast
ein Holzstab zur Befestigung
So geht’s:
Topf mit Holzwolle füllen
Mit Draht sichern und kopfüber aufhängen (z. B. am Rosenbogen)
Am besten in der Nähe von Blattlaus-gefährdeten Pflanzen platzieren
Tipp: Häng das Hotel abends auf – dann ziehen die Ohrenkneifer morgens ein.
Was tun, wenn es zu viele werden?
Wenn du das Gefühl hast, dass der Ohrenkneifer überhandnimmt, kannst du ihn ganz sanft umlenken oder dezimieren, ohne ihm zu schaden:
Locktöpfe umplatzieren (z. B. vom Dahlienbeet weg)
Überreifes Obst möglichst früh ernten
Beete gut abtrocknen lassen – Ohrenkneifer mögen’s feucht
Natürliche Feinde fördern – z. B. Amseln, Spitzmäuse, Kröten
Auf chemische Mittel verzichten – sie stören das ökologische Gleichgewicht
Spannende Fakten zum Ohrenkneifer
Weibliche Ohrenkneifer betreiben Brutpflege – sie bewachen und reinigen ihre Eier, was bei Insekten selten ist
Die Zangen dienen nicht zur Verteidigung, sondern zum Falten der Flügel und beim Fressen
Trotz ihrer Erscheinung sind Ohrenkneifer für den Menschen völlig harmlos
Sie sind extrem anpassungsfähig – in Wüsten, Gärten, an Küsten und sogar in Städten
Ein unterschätzter Nützling mit Ecken und Zangen
Der Ohrenkneifer ist kein Schädling im klassischen Sinn – sondern ein wertvoller Teil des natürlichen Gartenlebens. Wer ihn erkennt, versteht und zu schätzen weiß, profitiert von seinem Appetit auf Schädlinge – und hilft dabei, ein ökologisches Gleichgewicht zu bewahren.
Ein Garten lebt von Vielfalt – und manchmal gehört dazu auch ein kleiner Krabbler mit Zangen, der nachts seine Runden dreht und leise für Ordnung sorgt.